Wenn die Abenddämmerung über Wien sinkt und die Schatten der Bäume im Stadtpark länger werden, glaubt mancher, ein leiser Gesang sei entlang der Donau zu hören. Nicht laut, nicht eindeutig, aber spürbar, wie ein Atem, der aus den Tiefen des Flusses kommt. Es ist die Sage vom Donauweibchen – einer Nixe, die in den Geschichten althergebrachter Fischer und alter Wiener erzählt wird, die warnte, betörte und beschenkte. Diese Sage trägt Züge von Märchen, von Warnung und von unerfüllter Sehnsucht – und sie lebt bis heute, weil sie tief im kollektiven Gedächtnis der Stadt wurzelt.

Die Geschichte beginnt vor langer Zeit, in einer Zeit, da Wien noch kein großer politischer Machtpunkt war, da kleine Fischerhütten die Ufer der wilden Donau säumten. Die Donau floß nicht reguliert, sondern in Armen und Strömen, überschwemmte im Frühling die Auen, nahm mit eisigem Tauwetter Buschwerk und kleinere Hütten mit sich. In solchen Nächten saß ein alter Fischer am Feuer mit seinem Sohn, flickte Netze, blickte auf die Eisflächen und erzählte von Wassergeistern: von Nixen, von einer Nixe, die gelegentlich als Mädchen mit weißem Kleid und Wasserlilien im Haar erschien, und von einem Palast tief im Flussgrund – aus grünem Glas, sagen manche Versionen, bewohnt von einem Donaufürsten, seiner Frau und Kindern, den Nixen. Aus dieser Unterwasserwelt schweben Vorahnungen: Hochwasser, Eisbruch. Und das Donauweibchen erscheint, um zu warnen. Nicht als Strafe, sondern als Mahnung: zieht euch zurück, vergesst eure Hütten nicht, eilt dem Wasser entgegen, so gut ihr könnt.


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Diese warnende Rolle macht sie in diesen Sagen besonders. Denn sie ist kein reines Monster, das tötet, sondern eine Art Schutzgeist. Die Fischer lernen, auf ihre Warnungen zu achten. In manchen Erzählungen erscheint sie im Haus des Fischers – ein kluger, nicht böser Geist – und flüstert von Tauwetter, das das Eis brechen wird. Der Fischer und sein Sohn, erschrocken, ziehen los, warnen die Nachbarn, verlassen ihre Hütten. Einige Zeit später fluten Wasser und Eis die Auen. Häuser stehen leer, manche werden überschwemmt. Doch viel größeres Leid wird abgewendet, denn wer sich rechtzeitig rettet, überlebt.

Aber wie so oft bei Mythen bleibt nicht alles heil. Die Geschichten berichten davon, dass der Sohn, nach jener Nacht der Warnung, verändert ist. Er kann nicht vergessen, was er gesehen hat. Das Donauweibchen erscheint ihm als Schönheit, unerreichbar. Die Sehnsucht nach ihr wächst, so stark, dass sie sein Leben überschattet. Am Ende – in manchen Versionen – fährt er allein hinaus in die Donau, verliert sich im Wasser, wird nie wieder gesehen. Ein Boot treibt leer, der Vater trauert. Die Warnung war real, die Liebe zur Sage tödlich.

Historisch gesehen gibt es keine Belege dafür, dass ein „Schatz aus Perlen und Gold“ tatsächlich existiert, wie mancher Erzählung nachsagt oder wie sie manchmal ausgeschmückt wird. Die Sage vom Donauweibchen hebt weniger materielle Reichtümer hervor, sondern die Warnung selbst – und jene kleinen Gaben (Muscheln, Kieselsteine, Fischlein), die in manchen Versionen zu Gold werden. Es sind Zeichen, keine Schatzbehälter; Zeichen, dass man Acht geben soll, auf den Fluss und seine Launen, auf Naturgewalten und das Unwetter, das leise beginnt und in überfluteter Nacht zerbricht.


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Die Statue des Donauweibchens im Stadtpark (der Donauweibchenbrunnen) erinnert daran. Im Jahr 1865 wurde sie aufgestellt, ein marmorner Brunnen mit einer Figur eines Mädchens, das Fische im Schoß hält – ein Symbol für die Verbindung von Mensch und Wasser, von Stadt und Fluss. Der Entwurf stammt vom Bildhauer Hanns Gasser. Diese Statue ist kein Zeugnis eines Schatzes, sondern eines Mythos, lebendig geblieben im kollektiven Gedächtnis. Man sieht, wie große Wiener Gemeinden den Wert dieser Geschichten erkannten: nicht als Aberglauben, sondern als Kultur, als Erinnerung.

Warum fasziniert das Donauweibchen so sehr? Weil Mythen wie dieser mehr sind als Fantasie. Sie sind Reflexionen von Lebensbedingungen, von Elementarkräften, denen sich die Menschen aussetzen – dem Wasser, dem Hochwasser, dem Unwetter. Und dem, was wir darauf antworten: Warnung, Flucht, Zusammenhalt. Diese Nixe repräsentiert das, wovor wir uns fürchten und was wir respektieren müssen. Sie verkörpert das Verhältnis des Menschen zur Natur: mal furchteinflößend, mal schön, mal gnädig, mal gefährlich.

Ein weiterer Grund liegt in der Mischung aus Sichtbarem und Unsichtbarem. Das Donauweibchen erscheint nur selten, oft in klaren Mondnächten oder bei Wintereis, taucht auf, warnt und verschwindet wieder. Es ist nicht greifbar – wie viele Elemente jener Zeit nicht greifbar waren: Wetter, Eisbruch, Krankheit. Der Mythos gibt ihnen eine Gestalt. Er macht greifbar, was unberechenbar ist.


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Die Sage lebt in vielen Versionen weiter: in Büchern mit Wiener Sagen, in Volkserzählungen, in Schulheften. Autoren wie Friedl Hofbauer haben sie gesammelt und niedergeschrieben, damit sie nicht verloren gehen. Es ist Teil der Wiener Identität. Wer durch den Stadtpark geht und das Donauweibchen-Brunnen betrachtet, der sieht nicht nur eine schöne Figur – er sieht eine Geschichte. Eine Warnung, eine Hoffnung, eine Erinnerung. Eine Geschichte, die zeigt, dass wir nicht über den Fluss herrschen, sondern dass wir an seinen Launen teilhaben.

So ist „Der Schatz des Donauweibchens“ weniger ein Schatz im Sinne von Gold und Perlen, sondern ein Schatz der Geschichten. Der Schatz der Erinnerung, der Ehrfurcht vor der Natur, der Achtung vor dem Unbekannten, das unser Leben ebenso formt wie das Sichtbare. Und die Sage mahnt: Wer nur hebt, nimmt; wer aber achtet, lernt. Wer meint, der Schatz liege verborgen unter Steinen und Zeit, könnte mit dem Wert der Sage übergehen – und in manch Version wird gerade dieser Schatz ins Unendliche gehoben, in die Vorstellungskraft derjenigen, die offen sind für das Flüstern der Donau.


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