Es gibt Figuren, die so eng mit einer Stadt verwoben sind, dass sie ohne sie kaum denkbar wären. Wien wäre ohne Peter Altenberg wohl ärmer um eine Seele, die den Geist der Kaffeehäuser, das Flirren der Jahrhundertwende und die Sehnsucht nach Schönheit in Worte bannte, die noch heute klingen wie ein zarter Walzer.
Geboren wurde er 1859 als Richard Engländer, Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie. Doch schon früh wusste er, dass er kein Kaufmann, kein Bürger im klassischen Sinn werden würde. Er war ein Träumer, ein Flaneur, ein Dichter, der die Welt nicht in Zahlen und Verträgen, sondern in Stimmungen und flüchtigen Augenblicken sah. Seinen Künstlernamen „Peter Altenberg“ wählte er nach einem kleinen Ort in Niederösterreich – es klang nach Natur, nach Einfachheit, nach einer Welt, die er suchte, aber nie ganz erreichte.
Sein Leben spielte sich weniger in Amtsstuben oder Villen ab, sondern in den Kaffeehäusern Wiens. Das Café Central wurde zu seiner Bühne, sein Schreibtisch war ein kleiner Marmortisch, auf dem er seine Notizen in winziger, unregelmäßiger Schrift niederlegte. Hier saß er Tag für Tag, oft in abgetragener Kleidung, die Zigarette im Mundwinkel, den Blick verloren in die Welt. Und doch war er nicht allein. Dichter, Maler, Musiker und Philosophen suchten seinen Rat, bewunderten seine scharfe Beobachtungsgabe und lauschten seinen aphoristischen Einwürfen, die oft mehr Wahrheit enthielten als lange Abhandlungen.
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Altenbergs Werk bestand nicht in dicken Romanen oder komplexen Dramen. Er schrieb Miniaturen, Prosaskizzen, kleine Momentaufnahmen des Lebens, die man mit einem Atemzug lesen konnte, die aber lange nachhallten. „Wie ich es sehe“ oder „Was der Tag mir zuträgt“ sind Sammlungen, die scheinbar Alltägliches – das Lächeln eines Kindes, den Schatten eines Baumes, das Gesicht einer Unbekannten – in reine Poesie verwandelten. In diesen kleinen Bildern fand sich das ganze Wien: das Leichte und das Melancholische, das Glänzende und das Vergängliche.
Seine Liebe galt den Frauen, doch nie besaß er sie. Altenberg idealisierte, verehrte, schrieb Hymnen auf die Schönheit und die Flüchtigkeit. Kritiker warfen ihm Exzentrik vor, manche sahen in ihm einen Sonderling, der sich der Welt entzog. Doch gerade diese Haltung machte ihn zu einer Legende der Wiener Moderne. Er war befreundet mit Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler und Karl Kraus, auch Gustav Klimt und Egon Schiele zählten zu seinen Weggefährten. Gemeinsam prägten sie jenes geistige Klima, das Wien um 1900 zum Mittelpunkt europäischer Kultur machte.
Altenberg selbst aber blieb immer ein Randgänger, ein Bohemien, der nie wirklich Besitz oder Reichtum suchte. Sein Reichtum war die Beobachtung, sein Kapital das Wort. Er starb 1919, kurz nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, in einer Stadt, die sich von Glanz und Monarchie verabschiedete und doch seine Stimme nie vergessen sollte.
Heute noch erzählt man in Wien von Peter Altenberg, wenn man das Café Central betritt. Dort, wo einst seine Gestalt wie eine Mischung aus Prophet und Vagabund saß, hängen seine Bilder, und Touristen wie Einheimische spüren, dass dies nicht nur ein Kaffeehaus ist, sondern ein Denkmal für eine ganze Epoche. Altenberg verewigte das Wiener Kaffeehaus – und das Kaffeehaus verewigte ihn.
So bleibt er, der Mann mit dem scharfen Blick und dem weichen Herzen, in den Geschichten Wiens lebendig. Nicht als lauter Held, nicht als Herrscher, sondern als Dichter des Augenblicks, als Chronist des Flüchtigen. Ein Wiener Original, das bis heute lehrt, dass man manchmal mit wenigen Worten die ganze Welt erfassen kann.