Im Jahr 1157, als die Winde über die Donau fegten und die Wälder Österreichs in sattem Grün erstrahlten, erblickte Leopold V., später der Tugendhafte genannt, das Licht der Welt. Geboren als Sohn von Heinrich II. Jasomirgott und Theodora Komnena, einer byzantinischen Prinzessin, floss in seinen Adern ein Gemisch aus österreichischem Stolz und kaiserlicher Eleganz. Seine Geschichte ist eine von Ruhm und Schatten, von Kreuzzügen und klugen Machtspielen, von einem Mann, der Wien nicht nur regierte, sondern es in eine neue Ära führte. Doch hinter seiner Tugend verbarg sich ein Geheimnis, das die Chroniken bis heute flüstern – ein Geheimnis, das seine Taten in ein rätselhaftes Licht taucht.

Schon in jungen Jahren zeigte Leopold, dass er kein gewöhnlicher Fürst war. Mit 17 Jahren, zu Pfingsten 1174, wurde er in Regensburg mit dem Herzogtum Österreich belehnt, ein Geschenk seines Vaters, das ihn in die Fußstapfen eines großen Vermächtnisses stellte. Seine Hochzeit mit Helena, der Schwester des ungarischen Königs Béla III., war mehr als eine politische Allianz – sie war der Beginn einer Partnerschaft, die Leopold Stärke und Rückhalt gab. Als sein Vater 1177 starb, trat Leopold die Nachfolge an, bereit, das Herzogtum Österreich zu einem Machtzentrum zu formen. Sein Herz schlug für die Hohenstaufen, und so zog er 1177 nach Italien, um Kaiser Friedrich Barbarossa zu unterstützen. In Venedig wurde er Zeuge des Friedensschlusses mit Papst Alexander III., ein Moment, der ihm zeigte, wie Diplomatie und Macht Hand in Hand gehen.


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Leopolds Leben war geprägt von einem unstillbaren Drang, Österreichs Einfluss zu mehren. 1186 schloss er die Georgenberger Handfeste mit Herzog Otakar IV. von der Steiermark, ein Vertrag, der nach Otakars Tod 1192 die Steiermark mit Österreich vereinte. Dieser Akt war ein Meisterwerk der strategischen Weitsicht, denn er legte den Grundstein für das moderne Österreich. Doch Leopold war nicht nur ein Stratege, sondern auch ein Mann des Glaubens und der Tat. 1189 begab er sich auf den Dritten Kreuzzug, ein Unterfangen, das ihn in die glühenden Wüsten des Heiligen Landes führte. In Akkon, wo die Banner der Kreuzfahrer im Wind wehten, kämpfte er mit unerschütterlichem Mut. Die Legende erzählt, wie sein weißer Waffenrock nach der Schlacht blutgetränkt war, nur ein weißer Streifen unter dem Gürtel blieb rein – die Geburt des rot-weiß-roten Bindenschilds, der bis heute Österreichs Flagge ziert.

Doch in Akkon geschah mehr als die Geburt einer Legende. Ein Streit mit König Richard Löwenherz, dem Löwenherzen Englands, entbrannte. Leopold, stolz und selbstbewusst, hisste seine Fahne neben denen der großen Könige, eine Geste, die Richard als Affront empfand. Der englische König riss Leopolds Banner herab, eine Demütigung, die Leopold nie vergaß. Als Richard 1192 auf dem Rückweg vom Kreuzzug, verkleidet als Pilger, durch Österreich reiste, erkannte Leopold seine Chance. In Erdberg, nahe Wien, wurde Richard erkannt – angeblich an einem auffälligen Goldring – und gefangen genommen. Auf der Burg Dürnstein, hoch über der Donau, hielt Leopold den König in ehrenvoller, doch strenger Haft. Der Papst, erzürnt über die Gefangennahme eines Kreuzfahrers, belegte Leopold mit dem Kirchenbann. Doch Leopold, listig und zielstrebig, verhandelte mit Kaiser Heinrich VI. und sicherte sich die Hälfte eines Lösegeldes von 100.000 Mark Silber – eine unvorstellbare Summe, die Österreichs Zukunft formen sollte.

Mit diesem Reichtum verwandelte Leopold Wien in eine pulsierende Metropole. Er gründete die Wiener Münzstätte, die das wirtschaftliche Herz der Stadt zum Schlagen brachte. Die Stadtmauern Wiens wurden erweitert, Hainburg und Enns befestigt, und Wiener Neustadt, eine neue Stadt an der Grenze zu Ungarn, entstand aus seinem Visionen. Diese Bauprojekte waren mehr als bloße Steine – sie waren ein Bekenntnis zu einem starken, geeinten Österreich. Unter Leopolds Herrschaft blühte auch die Kultur auf. An seinem Hof wirkten Minnesänger wie Reinmar von Hagenau und Walther von der Vogelweide, deren Lieder von Liebe und Ehre die Hallen füllten. Wien wurde ein Zentrum des Geistes, ein Ort, an dem Poesie und Macht sich trafen.

Doch Leopolds Geschichte endete tragisch. Im Dezember 1194, während eines Turniers in Graz, stürzte er vom Pferd. Sein rechtes Bein wurde zerschmettert, der Schmerz so unerträglich, dass er seinen Kämmerer anflehte, es abzuhacken. Drei Schläge waren nötig, um das Bein zu trennen, und Leopold ahnte, dass sein Ende nahte. Auf dem Sterbebett, geplagt von Schmerzen und dem Schatten des Kirchenbanns, gelobte er, das Lösegeld zurückzuzahlen und die englischen Geiseln freizulassen. Der Erzbischof von Salzburg sprach ihn frei, und so starb Leopold am 31. Dezember 1194, im härenen Mönchskleid, bereit, vor seinen Schöpfer zu treten. Er wurde im Stift Heiligenkreuz begraben, sein Vermächtnis jedoch lebte weiter. Seine Söhne, Friedrich I. und Leopold VI., teilten sich die Herrschaft, entgegen der Georgenberger Handfeste, ein letzter Akt, der Leopolds rätselhafte Natur unterstreicht.

Und hier beginnt das Geheimnis, das Leopold V. umgibt. Warum teilte er seine Lande, obwohl er mit der Georgenberger Handfeste Einheit geschworen hatte? War es ein letzter Akt der Schwäche, ein Versuch, beide Söhne zu versöhnen, oder ein kalkulierter Schachzug, dessen Ziel die Chroniken nie enthüllten? Manche flüstern, dass Leopold, geplagt vom Kirchenbann und der Last seiner Taten, in seinen letzten Stunden von Visionen heimgesucht wurde, die ihn zu dieser Entscheidung trieben. Andere behaupten, ein geheimer Pakt mit dem Kaiser habe diese Teilung erzwungen, ein Pakt, dessen Details für immer im Dunkel der Geschichte verborgen bleiben. Dieses Geheimnis, gepaart mit seiner Tugendhaftigkeit, macht Leopold V. zu einer Figur, die weit über seine Zeit hinaus fasziniert.

Leopold V. war mehr als ein Herzog – er war ein Visionär, der Wien mit Silber und Mut aufbaute, ein Kreuzfahrer, dessen Banner die Farben Österreichs schuf, und ein Mann, dessen List die Mächtigen erzittern ließ. Sein Leben, geprägt von Triumphen und Tragödien, bleibt ein fesselndes Kapitel in der Geschichte Österreichs, ein Kapitel, das von einem Mann erzählt, der mit Herz und Verstand ein Land formte – und dessen Geheimnis noch immer die Fantasie beflügelt.


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